Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts spielte bei der
Musik für Blasinstrumente die "Harmoniemusik" eine wesentliche
Rolle, d.h. paarweise besetzte Quartette, Sextette, Oktette, Dezette und
größere Werke mit Flöten,
Oboen, Englischhörnern, Klarinetten, Hörnern und Fagotten, manchmal auch
mit Basetthörnern und Trompeten. Dabei wurde der Bass bei kleineren
Ensembles zuweilen nur mit einem Fagott besetzt, bei größeren Ensembles
aber auch durch Kontrabass (Violone) oder Kontrafagott verstärkt. Ebenso
wurden gelegentlich andere Instrumente ungradzahlig besetzt, so z.B. Flöte
nur einfach und Hörner auch dreifach, wodurch Quintette, Septette,
Nonette und größere Besetzungen entstanden.
Diese Harmoniemusiken hatten am Anfang vornehmlich den
Zweck, an Fürstenhöfen gesellige Veranstaltungen musikalisch zu
umrahmen. Später wurden auch größere Werke, wie Opern, aber auch
Sinfonien zu " Harmonien " umgearbeitet, was wohl auch einträglich
gewesen sein muss, denn Wolfgang Amadeus Mozart schrieb zu seiner Oper
"Die Entführung aus dem Serail" am 20. Juli 1782 an seinen
Vater "... bis Sonntag acht tag muß meine Opera auf die harmonie
gesezt seyn - sonst kommt mir einer bevor - und hat anstatt meiner den
Profit davon ...".
Schwerpunkte der Harmoniemusik waren in Österreich und Süddeutschland
vor allem Wien, Salzburg, Oettingen-Wallerstein, Regensburg und
Donaueschingen. Beteiligt daran waren viele Musiker, die aus Böhmen
kamen.
Die häufigste Besetzung der Harmoniemusik ist das Bläseroktett
für 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Hörner und 2 Fagotte. Unter
diesen ist wohl das bekannteste Mozarts Serenade c-moll KV 384a/388
"Nacht Musique" von 1782, die Mozart selbst später zum
Streichquintett KV 406 umgearbeitet hat, das wiederum – wie mehrere
andere Quartette und Divertimenti Mozarts - Vorlage für Bearbeitungen von
fremder Hand zum Bläserquintett für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und
Fagott war.
Zeitlich etwa parallel zur Harmoniemusik liegt die
Entstehung der anderen Gattung der Musik für Blasinstrumente - hier als
"Bläserkammermusik mit einfach besetzten Instrumenten“ bezeichnet,
d.h. Duos, Trios, Quartette und Quintette für wahlweise Flöte, Oboe,
Klarinette, Horn und Fagott.
Bei den Duos waren
bevorzugt die für Klarinette und Fagott, zu denen auch Beethoven
beigetragen hat. Unter den Trios haben vor allem die für Flöte,
Klarinette und Fagott bei den Komponisten Interesse gefunden.
Bei den Quartetten haben im erfassten Zeitraum den weit grössten
Anteil die für Flöte, Klarinette, Horn und Fagott. Der erste Komponist,
der in dieser Besetzung mehrere Werke geschrieben hat, war Andre´-Frédéric
Eler (LV 14). In Anlehnung an die Bläseroktette der Harmoniemusik wären
an sich Quartette mit Oboe zu erwarten.
Die Bevorzugung der Flöte gegenüber der Oboe ist vielleicht
daraus zu erklären, dass seinerzeit Kompositionen mit Flöte sehr beliebt
waren. Vor allem sind sehr viele Flötenquartette
(Flöte und Streichtrio) entstanden und von dort war der Weg nicht weit
zum Quartett mit Flöte, Klarinette, Horn und Fagott.
So haben auch mehrere Komponisten sowohl Flötenquartette als auch
Quartette für Flöte, Klarinette, Horn und Fagott geschrieben,
sowie selbst wechselseitige Übertragungen angefertigt.
Die Bläserkammermusik hat hauptsächlich in Paris ihren
Ursprung. Hier wirkten nicht nur die in Frankreich geborenen und in
Paris lebenden Komponisten, sondern es zog auch viele Komponisten aus
Deutschland, Böhmen, Österreich und Italien dorthin (siehe Tafel S. 47).
Diese haben sich sicher
gegenseitig inspiriert. Hier hat auch Guiseppe Maria Gioacchino Cambini
das Bläserquintett in der Besetzung mit Flöte, Oboe, Klarinette, Horn
und Fagott „erfunden“, und man kann davon ausgehen, daß Antonin
Rejcha, als er nach Paris kam, dort diese Quintette kennenlernte und
dadurch zu seinen Bläserquintetten angeregt wurde.
Natürlich haben sich die beiden Richtungen der Musik für
Blasinstrumente nicht unabhängig voneinander entwickelt. So haben mehrere
der hier behandelten Komponisten auch "Harmonien", also Bläserwerke
mit mehreren doppelt besetzten Instrumenten geschrieben.
Als Zeitraum der "frühen" Werke ist in der 1.
Auflage etwa ein Jahrhundert von 1720 bis 1825 erfasst worden. Die 2.
Auflage erweitert den Zeitraum bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Werke, zu denen in Bibliographien unzutreffende Angaben
gemacht sind oder die nicht auffindbar sind, sowie Werke, die lediglich in
Katalogen ohne Quellenangaben erwähnt sind, werden nur in Anmerkungen
aufgeführt. Falls Bibliotheken bekannt sind, in denen Erstausgaben
liegen, sind diese in Klammern angegeben oder es ist die Nummer in RISM
genannt.
Es werden im vorliegenden Verzeichnis nur Werke für
ausschließlich Blasinstrumente (Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott),
also nicht für gemischte Ensembles mit Tasteninstrumenten,
Streichinstrumenten und/oder basso continuo berücksichtigt. Auch werden
keine Arrangements bzw. (nicht komponisteneigene) Bearbeitungen bzw. Übertragungen
mit Austausch von einem oder mehreren Instrumenten einbezogen, ebenso
wenig ad-libitum-Besetzungen, konzertante Sinfonien, Solowerke und Werke
von Anonymi.
Innerhalb einer Besetzung sind die Komponisten
zeitlich jeweils nach ihrem zuerst entstandenen bzw. erschienenen Werk
geordnet. Mit dessen Entstehungsjahr ist der Komponist auch in der
Zeittafel aufgeführt. In der Aufstellung erscheinen aber alle Werke eines
Komponisten in derselben Besetzung nacheinander, unabhängig von deren
eventuellen späteren
Entstehungszeiten.
|